Vortrag Lehmsteinhaus

21. September 2022

Modernes Lehmsteinmauerwerk

Vortrag Stern Zürn Architekten zu Lehmhaus in Meißen (D)

 

Das Pilotprojekt Lehmhaus entsteht derzeit in Meissen, Sachsen (D) und wird dieses Jahr fertiggestellt. Das Lehmhaus mit tragenden Lehmwänden wird von einem Wetterschutz aus Holz bekleidet. Die Ambivalenz im Ausdruck wurde durch Faschen / Fensterrahmen gelöst, die den Lehm optisch nach aussen transportieren.

Dem Pilotprojekt gingen zweijährige Forschungen von Prof. Dr. Wolfram Jäger an der Universität Dresden voraus. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit werden mithilfe einer Einzelzulassung für die Bauklasse 3 umgesetzt. Weitere Typenhäuser für eine Breitenanwendung sollen folgen.

Lehm könnte mittelfristig den Ziegel als Baumaterial für niedrigere Bauten bis ca. vier Geschosse und 600qm ersetzen. Brennenergie, die für Ziegel benötigt wird, kann eingespart werden. Die Tragfähigkeit von Lehmsteinen erfordert bestimmte Konstruktions-Regeln, z.B. eine Symmetrie in Grundriss und Aufriss.

Das Büro Stern Zürn Architekten wurde 2018 in Basel gegründet. Seit der Gründung wurden diverse Projekte fertiggestellt, 2021 das Department für Sport, Bewegung und Gesundheit in Münchenstein (BL).

 

Ort: Galerie Praxis, Bäumleingasse 9, Basel beim Münster, praxisart

Im Anschluss wird die Ausstellung noch am Donnerstag , 22. September 2022 von 9-15 Uhr zu sehen sein.

Informationen zum Projekt Lehmhaus

Bericht Vortrag

Etwa 25 neugierige Zuhörer und -schauer waren der Einladung der IG Lehm in die Galerie Praxis in Basel gefolgt, um mehr über die Entwicklung zu lasttragenden Lehmsteinen zu erfahren.

Marco Zürn und Markus Stern vom Basler Architekturbüro Stern Zürn Architekten gaben beim Vortrag Einblick in die Entwicklung eines Wohnhauses komplett aus Lehmsteinen. Auch Prof. Wolfram Jäger aus Radebeul war angereist. Er ist Initiator und Bauherr des Hauses, und Forscher. Der Kontakt der Planer kam über die Elbphilharmonie zu Stande. Grundlage des Projekts allerdings war ein Forschungsprojekt der TU Dresden, das auch einen Bauteilkatalog und Untersuchungen zur Tragfähigkeit, Brandverhalten und Bewitterung beinhaltete.

Aber auch Reflexionen über nachhaltige ältere Traditionen sowie kritischere über modernere, eher verschwenderische Errungenschaften, in der etwa Sichtbeton gesetzt war, flossen in die Ambition des Projektes ein. All die nachfolgend energieintensiven Gewohnheiten sind nun mit den Krisen zu Klima und Energie mehr als offensichtlich zu hinterfragen. Die Tendenz über die Betriebsenergie hinaus nun endlich auch die Erstellungsenergie mitsamt dem Kohlenstoffausstoss einzubeziehen, ist unumgänglich.

Was ist also ein gangbarer Weg in der Konstruktion? Und in welcher Dimension ist was möglich? Ist tragender Lehmbau gleich Stampflehmbau?
Den Planern ging es um einen massentauglichen Prototyp, der gut reproduzierbar und vom Prinzip her auf vier Geschosse skalierbar ist.
Inspiriert wurden sie auch von der durchschlagenden Wirkung des Hauses am Horn in Weimar in der Frühphase des Bauhauses, das Impuls zur Industrialisierung des Bauens war. Analog wäre also heute ein ökologischer Anschub. Da Lehm per se ungebrannt angewendet wird (im Gegensatz zum Ziegel(stein), der bei hohen Temperaturen gebrannt wird), bleibt der Welt gleich schon das Verbrauchen von Energieressourcen und der Ausstoss von CO2 erspart.

Trotz Pilotprojekt muss der Lehm nicht zwingend nach aussen sichtbar sein. Dies ist auch Teil des konstruktiven Umgangs der Architekten. Der Entwurf entsteht auch aus den Bedürfnissen des Materials. Dabei wird das Mauerwerk auf den maximalen Lastfall mit Stahlbetondecken ausgelegt und geprüft. Die 10DF Lehmsteine selbst stammen aus industrieller Produktion einer flexiblen Ziegelei in Niederbayern und sollen nach der jetzigen Prüfung im Einzelfall die Zulassung für Gebäude mit vier Geschossen zwischen 300m2 und 400m2 bei 13m Höhe in der Bauklasse 4 erreichen. Dies würde auch der jüngsten DIN 18940 zur Ausführung mit Lehmsteinen (im Entwurf vorliegend) entsprechen. Zum Einsatz kam ein leicht modifizierter herkömmlicher Grünling, also ein hochvakuumierter, stranggepresster ungebrannter Lehmstein, der eigentlich ein Schallschutz-Ziegelstein werden sollte. Die Mischung ist jedoch recht fett (sehr tonhaltig). Deshalb ist die Bekleidung noch offen und so werden eine Beplankung mit Lehmplatten oder ein dünnschichtiger Putz (mit Phantomeffekt) als Möglichkeiten untersucht. Auch der Schutz vor Wasser war ein zentrales Anliegen. Einerseits in der Planung der Nasszellen oder der untersten Steinschicht, andererseits im Bauablauf. Dort ist der durchgängige Schutz vor Wasser unabdingbar.


Auch weitere Entwurfsprinzipien wie die Symmetrie, eine begrenzte Diagonale für ausgeglichene Spannweiten oder auch der Verzicht auf Eckfenster lassen sich aus konstruktiven Vorzügen herleiten. Sie führen gestalterisch zu einem schlichten Auftreten. Wie es die Zierrat-Kataloge aus der Gründerzeit jedoch schon vormachten, kann selbst damit ein Spiel in Gang kommen, etwa als Variation der Faschen um die Fenster in der Fischgrat-Holzschalung der hanfgedämmten Fassade.
Im Weiteren ging Prof. Jäger noch auf Detailfragen zu Dünnbettmörtel, zur in Deutschland üblichen Halbfertigdecke oder den Übergängen zwischen den Materialien oder Bauteilen ein. Er verwies noch auf die relevanten statischen Faktoren für die Berechnung und Verhaltensweisen im Kriechen, bei hoher Luftfeuchtigkeit oder auch bei Erdbeben.


Der Rohbau steht mittlerweile und auf die vorrätigen, schon produzierten Lehmsteine wartet die weitere Verwendung noch. Neue Projekte könnten auf dieser Basis vereinfacht entstehen. Eine von vielen Antworten auf unsere heutige Gemengelage rund um Energie- und Ressourcenknappheit wäre somit gegeben. Die Türen für die breitere Anwendung von Lehmsteinen öffnet sich zunehmend und grösseren Projekten steht immer weniger im Wege.


Christiane Löffler, 22. September 2022

Veranstalter

IG Lehm Fachverband Schweiz

Ort

Basel BS