Stampflehm thermisch aktivieren

21. – 24. Juni 2023

Praxis-Workshop 2023-1

Thermisch aktivierte Stampflehmwände

 

Ort: 7422 Tartar GR, Neubau Kleinhaus aus Hanfkalk von IG Lehm-Mitglied May-Britt Meisser

Zeit: Mittwoch 21. oder Donnerstag 22.Juni
bis Samstag 24. Juni 2023

Kursleitung:
Arno Labouré, hibo Holz- und Lehmbau
Ralph Künzler, Baubiologie & Lehmbau

 

Einladung Workshop Tartar

Thema:
Der Neubau von May-Britt besteht aus einem Holz-Tragwerk, die Hülle (Wände, Boden, Decke) aus Hanf-Kalk, der vor Ort in Schalungen und Hohlräume eingebracht wurde.
Geheizt wird mit einem Holz-Zentralherd, welcher Wärme für Kochen, den integrierten Warmwasserboiler und Heisswasserspeicher liefert. Ab dem Speicher werden 2 freistehende, 20 cm starke Stampflehm-Wandelemente temperiert. Der Wärmeeintrag in die massiven Lehmkörper erfolgt über Bodenheizungsrohre, welche während des Stampfprozesses miteingebaut werden. Die Aufgabe dieses Kurses ist das Erstellen dieser Stampflehmspeicherelemente, die aus Aushublehm von der Baustelle und Kieskörnungen, welche vom schon eingebauten Kalkboden übrig sind, bestehen. Die nötigen Schalungen bauen wir während des Kurses vor Ort aus sägerohen Gerüstbohlen.

Kursziele:
Vom Rohstoff …
Aushubmaterial auf seine Eignung für den Stampflehmbau erkennen:

  • Klebkraft prüfen
  • Kornzusammensetzung erkunden

Zum Baustoff …

  • Günstige Zusammensetzung von Stampflehm kennen
  • Geeignete Zuschläge kennen, um  Aushubmaterial ergänzen zu können
  • Sieb- und Mischverfahren entwickeln und anwenden
  • Optimale Konsistenz und Wassergehalt von erdfeuchten Mischungen kennen und prüfen

Weiter zur Verarbeitung …

  • Baustelleneinrichtung für Stampflehm kennen
  • Schalungen für Stampflehm erstellen können: Anforderungen, Ausführung
  • Einbringverfahren kennen und anwenden können: Schütthöhen, Verdichtungsmethoden
  • Methoden entwickeln und anwenden, um flexible Rohre zur thermischen Aktivierung erfolgreich miteinzustampfen
  • Statische Aspekte, maximale Stampfhöhen, Sicherheitsaspekte beim Stampflehmbau kennen und verstehen

Wir werden auch nicht vergessen, dass nebst allen technischen Aspekten die Teambildung ein unerlässlicher und gewinnbringender Faktor für das Gelingen insbesondere eines Lehmbauvorhabens ist!

Bericht zum Praxisworkshop


Mitten in einer gedeihenden Permakultur stehen zwei kompakte, eingeschossige Neubauten in Entstehung. Das eine der beiden ist Schauplatz des Praxisworkshops, das Eigenheim von IG-Lehm Mitglied May-Britt Meisser. Eine experimentierfreudige, erfinderische und ideenreiche Baustelle mit viel Hanf- und Sumpfkalk, Lehmputze und -steine, Holz und kreativen Details in der Ausbauphase. Das Wohnzimmer säumten drei Holzbohlen, eingespannt zwischen Boden und Decke. Deren Zwischenräume galt es die kommenden Tage mit Lehm stampfend zu füllen und mit eingelegten Heizungsrohren thermisch zu aktivieren.

Vom Feierabendverkehr und der Sommerhitze im Tal aufgeheizt, war die Ankunft in Tartar am Bündner Heinzenberg, eine erfrischende Wohltat. Die gespannten und fleissigen Workshop-Bienen flogen von nah und fern ein und die Zelte fürs Nachtlager wurden bei angenehm leichter Brise flink aufgebaut. Zum Ankommen und Kennenlernen war anschliessend das gemeinsame Abendessen im Grünen mit ersten Einführungen in die Stampflehm-Thematik des Folgetages.

Baustelleneinrichtung und Prüfung Lehm
Während sich eine Gruppe am ersten Kursmorgen die Baustelleninstallation vornahm, stürzte sich die andere Gruppe auf die Big Bags voller örtlichem Aushublehm, unser Ausgangsmaterial. Mittels 8er-Proben wurde die Klebfestigkeit des vorhandenen Erdmaterials geprüft. Der Untergrund vor Ort wies einige Schieferadern auf, war jedoch sonst sehr wasserdurchlässig. Mit hohem Kiesanteil, nur wenig Tuff und etwas Tonüberresten, war der Bestand zu mager und leider als Stampflehm noch nicht brauchbar. Um die Klebfestigkeit zu erhöhen, reicherten wir die Mischung mit Lehmpulver und Wasser an. Dazu kam Feinsplitt-Kies, nichts Grösseres aufgrund der geringen Wandstärke (20cm) der fertigen Stampflehmwand und um die Verletzungsgefahr der Heizungsrohre zu minimieren.

Mischung und Musterwändchen
Nach einer stärkenden Mittagspause wurde gemischt, gemustert und getestet. In der Probeschalung wurde feinsäuberlich ‚gstämpfelet’, der Arbeitsraum minim, aber das eingearbeitete Rohr blieb ganz und die Oberfläche liess sich nach dem Ausschalen auch sehr sehen lassen. Uns blühte nun jedoch bereits allen, was das am nächsten Tag an der tatsächlichen Wand mit einer zusätzlichen Lage Heizungsrohre, für eine ‚Niffeliarbeit’ geben dürfte.

Noch etwas verschlafen von einer unruhigen Zeltnacht durchzogen von heftigen Sommergewitter stärkte uns das leckere, reichhaltige Frühstücksbuffet für den aktiven Tag. Wir hatten die Mischung am Vortag erprobt, nun ging es ans Schalung Bauen und Mischen.

Stampfen zwischen Leitungen
Mit erfahrenen Lehmbauer*innen, Zimmerleuten, Holzbauer*innen und Poliere im Workshop-Team waren die ersten Schalungsbretter schnell montiert und das System für die nicht ganz einfachen Gegebenheiten ausgeklügelt. Die Mischung war bereit, so hiess es dann: Einbringen und stampfen, stampfen, stampfen! Zwischenzeitlich, wenn alle aktiven ‚Stämpfeler’ in den gleichen Stampfrhythmus fielen, tönte es draussen dumpf fast so, als veranstalte Tartar diesen Sommer ein kleines Techno-Festival...

Leider war der Fortschritt nach Ende des 2. Kurstages nicht so gross, wie erhofft. Das Stampf-Tempo wurde durch die geringen Zwischenräume zwischen Heizungsrohren und weiteren baulichen Massnahmen sehr gedrosselt, sodass oft nur mit kleinen Holzklötzchen weniger Quadratzentimeter Querschnitts ‚gestämpfelet’ werden konnte. Geduldig blieben wir dran.

Der Gaumenschmaus zum Abendessen und anschliessend die Runde am Lagerfeuer mit Ausblick auf die Viamala Region, Musik und guter Gesellschaft war sodann eine wahrliche Belohnung.

Einsatz und Resümee
Am letzten Kurstag versuchten wir mit gesammelten Erfahrungen und scheinbar unermüdlichem Elan noch etwas aufzuholen, mussten jedoch nach dem Mittagessen bereits zur Schlussrunde zusammensitzen, da leider die Wandabschlüsse für den angebrochenen Tag nicht mehr möglich schienen. Als Feedback war sich das Team des rund Dutzend Teilnehmenden einig: Spannender Ansatz, eine Stampflehmwand thermisch zu aktivieren, nach dem Ausschalen punktet natürliche Ästhetik mit Wow-Effekt, aber Zeit- und Energieaufwand sind happig. Von der Wirtschaftlichkeit und dem Kostenaufwand ganz zu schweigen.

Es war ein lehmige Herzensangelegenheit, Effizienz hin oder her. Wir haben wieder viel gelernt, viel gemacht und gelacht. Die sichtbare Freude und Dankbarkeit der Bauherrin und mehr gesunde, nachhaltige Bausubstanz ist, was bleibt und wir danken May-Britt für den Zugang zu lehrreichen Stunden auf ihrer Baustelle und die ganze Infrastruktur.

Dank
Ein grosses, grosses Dankeschön an die Kursleiter Arno Labouré und Ralph Künzeler für die ganze Organisation und wisserfüllten Inputs. Und nicht zuletzt werden wir die sagenhaft gute Küche von Priska und Daniela vermissen – herzlichen Dank für das Sorgen um unser Wohl.

 

Nadine Janesch, 05. Juli 2023

Veranstalter

IG Lehm Fachverband Schweiz
&
Arno Labouré
&
Ralph Künzler

Ort

Tartar GR