Führung Ofenturm

07. August 2021

Besichtigung Ofenturm Cham

In Kooperation mit Baubioswiss


Felix Hilgert von LEHMAG AG und Boltshauser Architekten AG zeigt uns das gelungene und wegweisende Bauprojekt im Ziegelei-Museum Cham.


Mit dem Ofenturm aus Stampflehm wird das Ziegelei-Museum um einen weiteren Baukörper erweitert. Der ca. neun Meter hohe Bau beinhaltet einen Ausstellungsraum und einen Brennofen. Das Projekt wurde von Studierenden des Studio Boltshauser der ETH Zürich und der TU München entwickelt. Das Ausführungsprojekt des Ofenturms erfolgte im Rahmen eines Workshops gemeinsam mit ETH Studierenden des Studios Boltshauser unter der Leitung der Lehmag AG. Dabei konnten die Studierenden den Umgang mit dem Baumaterial Stampflehm und dessen Umsetzung in der Vorfabrikation in einer Bauproduktionshalle aneignen.
Das Bauprojekt setzt auf neuartige, technische Innovation: Die aus Stampflehm gefertigten Wandelemente wurden vorfabriziert und weisen eine eigens entwickelte Vorspannung von Stahlstäben auf.

Im Rahmen eines angewandten Forschungsprojektes in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und der Hochschule Rapperswil leistet das wegweisende Bauprojekt einen Beitrag zur Entwicklung des traditionellen Lehmbaus. Mit der Vorspanntechnik möchte man neue Wege gehen und untersuchen, wie die historische Stampflehmtechnik beispielsweise die heutigen Ansprüche an die Erdbebensicherheit im Hochbau erfüllen kann. Die Vorspanntechnik erlaubt zudem, mit der bisher weitgehend ungenutzten Ressource (ca. über 60 Millionen Tonnen Aushublehm landen pro Jahr in der Schweiz auf Deponien) höher und schlanker zu bauen sowie den Einsatz anderer Baustoffe wie beispielsweise Beton oder gebrannte Ziegel zu reduzieren. Die damit verbundenen ökologischen und ökonomischen Chancen im Hochbau sind es Wert, näher untersucht und genutzt zu werden.

 

Programm:

14 Uhr
Begrüssung und Besichtigung Ofenturm

ab 15 Uhr
Ausklang/ Austausch im Ziegler-Beizli

 

Einladung Führung Ofenturm Ziegelei-Museum

Ofenturm & Verein Ofenturm

Bericht zur Besichtigung

Das Ensemble im Ziegelei-Museum Cham mit dem Museum, dem Wohnhaus und der alten Ziegelhütte hat einen neuen Schwerpunkt, oder besser gesagt Höhepunkt erhalten. Doch auch 'erhalten' ist nicht ganz treffend, denn Ambitionen, Risiko- und Einsatzbereitschaft lagen dem Bau viel mehr zu Grunde. Und auch weiterhin braucht das Projekt finanzielle Unterstützung. Auf jeden Fall aber ist es ein guter Ort, um Lehm sichtbar zu machen.
Angelpunkt diverser Akteure von den Hochschulen TU München/ ETH Zürich, über das Architekturbüro Boltshauser Architekten bis zum Lehmbauer LEHMAG war Ingenieur Felix Hilgert, der uns durch den Bau führte. So konnte er den rund 30 Teilnehmer:innen auch einen umfassenden Einblick in den Prozess von Idee, Planung bis Ausführung der temporären Museumserweiterung (vorerst begrenzt auf 10 Jahre) geben. Trotz einsetzendem massivem Regen folgte das Fachpublikum aufmerksam seinen aufschlussreichen Schilderungen und wurde dann drinnen zu vielen Fragen und Diskussionen angeregt.
Zusammen mit erfahrungshungrigen und involvierten Studierenden stellte die LEHMAG über 4 Wochen in ihrer Werkhalle in Brunnen einen Grossteil der 91 Elemente her. Die raffinierten vorfabrizierten Stampflehm-Elemente bestehen aus 3x3 Schichten mit jeweils horizontaler Geotextil-Verstärkung und aussenseitigen Trasskalk-Erosionsleisten. Die Ecken sind mit Trasskalk stabilisiert. Über den Transport hinaus stehen die Bauteile übereinander gestapelt auf 5cm dickem Sperrholzplatten, die mit einer hölzigen Wetterleiste davor ergänzt wurde.
Nach drei Wochen Aufrichten der Scheiben und einer winterlichen Ruhephase, schwebte die oben abschliessende Decke als Ganzes ein, um das 8.60m hohe Bauwerk auszusteifen. Dann konnte die Vorspannung innen und aussen zwischen den vorfabrizierten Streifenfundamenten plus Bodenplatte und dem Holzdeckel mit Vorspannstangen und Tellerfedern angebracht werden. Bis heute gewährleistet sie ohne Nachjustierung die Erdbebensicherheit und die Windsicherheit der nach oben verjüngten 50-37m dicken Stampflehmelement-Wandscheiben und korrigiert damit auch das minimale Kriechen des Lehms durch Druck. Architektonisch führen die oftmals aufwendigen Retouchierungen der Fugen im homogen erscheinenden Stampflehmbau nun also dazu, hier die Fügung aus gestalterischen Gründen überwinden zu wollen. Dies liess Platz für nachträgliche Murano-Gläser. Zudem wird aber auch die Rückbaubarkeit und eventuelle direkte Wiederverwendung erleichtert.
Doch recht ungewöhnlich ist auch die Mischung des Stampflehms. Statt auf Aushub-Stampflehmmischungen aufzubauen wurde die Mischung aus logistischen Gründen komplett eigens mit Einzelzutaten erstellt und bestand aus krümeligen Ton und Mischabbruch. Die Entwicklung oblag der Expertise des erfahrenen Stampflehmbauers Lukas Baumann, ergänzt durch gängige Würfeltests.
Neben der Sonderausstellung, die der sakral anmutende Innenraum mit Metall-Spindeltreppe zur Aussichtsplattform über das Areal beherbergt, soll der Brennofen im hinteren Teil wieder Ursprünge der Ziegelei an diesem Ort beleben. Dabei wird der Brennraum aus Schamottesteinen auf der Sichtseite mit stabilisierten Lehmsteinen von Terrabloc konsequent ergänzt. Mit Spannung wird der erste Ziegelbrand dort erwartet, was ein Anlass für einen erneuten Besuch dort ergäbe und die stete Offenheit des Ziegelei-Museums gegenüber Lehm weiter honorieren würde. Vor-gespannt dürfen wir auch auf weitere Entwicklungen rund um den Stampflehmturm blicken.

Vorerst begnügten sich die Gäste mit einem geselligen Besuch im Ziegler-Beizli, wo wie zumeist angeregte Diskussionen und Fragen zum Lehmbau kursierten.


Christiane Löffler, 31. August 2021

© Foto:

 

© Fotos Besichtigung (oberer Block):

  • Sidonia Wiesmann
Veranstalter

IG Lehm Fachverband Zürich
&
baubioswiss
&
Felix Hilgert (Boltshauser Architekten/ LEHMAG)

 

Ort

Hagendorn/ Cham ZG