Uruk – mesopotamische Lehm-Welterbe

20. Februar 2020

Lehm ohne Grenzen

Vorträge zu Lehmbau-Projekten in anderen Ländern

 

Die mesopotamische Stadt Uruk ist einer der bedeutendsten archäologischen Fundorte im Zweistromland und liegt südöstlich von Babylon in der Nähe des Euphrats. Die Stadt wurde vom 5. Jt.v.Chr. bis ca. 300 n.Chr. besiedelt, also über einen Zeitraum von 5000 Jahren! Monumentale Bauwerke aus Lehm zeugen von der Bedeutung der Hochkultur der Sumerer.
Heute ist es Teil des UNESCO-Welterbe Al-Ahwar, die erste gemischte Natur- und Kulturerbstätte Iraks und wird seit 1850 von Untersuchungen und Ausgrabungen begleitet.
Unter der Projektleitung des Deutschen Archäologischen Institut wurden Massnahmen gefördert, um den Erhalt dieser archäologischen Stätte zu gewährleisten und die Entwicklung und Umsetzung von ingenieurtechnischen Konservierungskonzepten zu erarbeiten.
Prof. Dr. Christof Ziegert begleitet diese Arbeiten seit drei Jahren. Aus erster Hand erfahren wir, was die Ausgrabungen bisher zu Tage gebracht haben, welche Herausforderungen bei den Restaurationen anstehen und was aktuell umgesetzt wird.

Einladung Vortrag Ziegert Uruk

UNESCO-Welterbestätte Uruk (ZRS Architekten Ingenieure Berlin)

Lehmbau-Experte Prof. Christof Ziegert hat sich im Bereich Lehmbau und Denkmalpflege einen Namen gemacht. Er ist Mitinhaber des Planungsbüros ZRS Ziegert Roswag Seiler in Berlin, Vorstandsmitglied des Deutschen Lehmfachverbandes, Honorarprofessor für Lehmbau an der FH Potsdam und Obmann des Normenausschuss Lehmbau am DIN.
Er wird uns aus seinem reichen Erfahrungsschatz wertvolle Einblicke bieten und aufzeigen, dass Horizontalabdichtungen schon vor 5000 Jahren mit Bitumen ausgeführt und wunderbare Tempel aus Lehmsteinen und Stampflehm gefertigt wurden.

Bericht zum Vortrag

Mesopotamische Stadt aus Lehm – Uruk, Irak

Prof. Christof Ziegert ist im Bereich Lehmbau und Denkmalpflege national und international als Experte gefragt.
In Kooperation mit dem CAS des Lehrstuhls für nachhaltiges Bauen der ETH Zürich wurde er von der IG Lehm eingeladen über das Projekt der Konservierung und Restauration der altsumerischen Stadt Uruk zu referieren.

Im Jahr 1912 begann die Deutsche Orient-Gesellschaft – wahrscheinlich aufgrund der auffälligen Lehmhügeln in der flachen Deltaebene des Euphrat und Tigris – mit den Ausgrabungen von Uruk. Durch die fortschreitenden Ausgrabungen von grossen Tempelbauten in den folgenden Jahrzehnten wurde viel über die Epoche der Uruk-Zeit bekannt, und Güter von grossem kulturellem Wert wurden in ferne Länder transportiert, ausgestellt und bewundert.
Leider wurden bei diesen ersten Ausgrabungen aber nicht nur kulturelle Güter entwendet, sondern auch die zuvor unter dicken Erosionsschichten konservierten Bauten durch deren Freilegung einer verstärkten Erosion ausgesetzt.
Seit 2017 plant und koordiniert das Büro ZRS Ingenieure GmbH, unter Projektleitung des Deutschen Archäologischen Instituts, die Konservierung und Restauration, um den Erhalt der archäologischen Stätte zu gewährleisten und weitere Schäden zu verhindern. Bis heute gelten weniger als 5% der archäologischen Stätte Uruk als ausgegraben. Uruk ist einer der bedeutendsten archäologischen Fundorte im Zweistromland und liegt südöstlich von Babylon in der Nähe des Euphrats. Die Stadt war von 5000 v.Chr. bis ca. 300 n.Chr. besiedelt und gilt deshalb als bisher erste bekannte Metropole der Menschheit.
Im Gegensatz zu den Städten Ur, Babylon, Nimrad und Hatra wurde Uruk nicht aus Stein, sondern aufgrund des in Massen vorkommenden hochwertigen Lehms komplett aus Lehmsteinen, Wellerund Stampflehm erstellt. Die Grösse der Stadt innerhalb der ehemaligen Stadtmauern entspricht ungefähr dem Stadtzentrum Zürichs und hatte in der Blütezeit rund 50’000 EinwohnerInnen. Des Weiteren zeugen monumentale Bauwerke und die Entwicklung der Keilschrift von der Bedeutung der Hochkultur der Sumerer.
Aufgrund der sehr heissen Klimazone musste während der rund 5300 Jahren der Besiedlung von Uruk sämtlichen Siedlungsgebieten grosse Mengen an Wasser zugeführt werden. Durch diese über Jahrtausende andauernde Bewässerung und die darauffolgende Verdampfung des Wassers reicherten sich im Boden grosse Mengen an Mineralien und Salzen an, was zu einer Salzkonzentration von bis zu 9% in den obersten Schichten des Bodens führte. Die aufsteigende Feuchte zerstört in Kombination mit dem hohen Salzgehalt den Lehmmörtel und führt so zum Kollaps ganzer Wände und Ruinenteilen. Der Prozess der „Salzkristallisation“ führte zu sehr grossen Zerstörungen in Uruk, dass teilweise, aufgrund fehlender Konservierungstechniken, Lücken zwischen gefährdeten Bauten provisorisch mit losem Lehmmaterial verfüllt werden müssen (Backfilling).
Mesopotamischer Erosionsschutz
Trotz der in der Wüste teils heftigen Regenschauer sind einige Bauten erstaunlich gut erhalten. Dies ist auf Bitumenabdeckungen und -lagen zurückzuführen, welche als wasserführende Schicht oder als Sperre gegen aufsteigende Feuchte dienten. Das mit Sand und dem lokalen Erdöl
gekochte Bitumen wurde also sehr lange vor der ersten Bitumenschicht in Deutschland (erst um etwa 1860 herum) verbaut.
Zusätzlich zum Bitumen, wurden die Lehmwände der Tempelbauten Uruks mit Kalkmörtel und Tonstiften verziert, welche wiederum vor Erosion schützten.
Technische Analysen
Um die Erosionsschichten und den Zustand des „geschützten“ gesunden Mauerwerks unter dem losen Lehmmaterial detektieren zu können, wurden vor Ort mit einer dünnen Stahlnadel Widerstandstests gemacht. Diese Widerstandstests führten dann in Kombination mit den
standardisierten Lehmtests des replastifizierten „gesunden Material“ im Labor in Berlin zu Erkenntnissen bezüglich Härte und maximal möglicher Bauhöhe der Ursprungsbauten, um wiederum die Modelle der Archäologen zu verifizieren.
Konservierung
Um den Kollaps einiger überhängender Mauerreste der Eanna Zikkurat zu verhindern, wurde im Zuge der Konservierungsmassnahmen die oberste harte Kruste, das lockere Material und das halbgesunde Baumaterial entfernt und mit neuen - im Vergleich zu den historischen Lehmziegeln leicht weniger stabilen und erosionsfesten Lehmziegeln - untermauert und dadurch stabilisiert. Als Ausgangsmaterial wurde der lokal vorhandene - und seit Jahrtausenden gleiche - Lehm verwendet, welcher bereits vor rund 7’000 Jahren beim stetigen Ausgraben der Bewässerungskanäle gewonnen wurde. Beim Monument Eanna Zikkurat gehen Archäologen von rund 12 Millionen verbauten Lehmziegeln aus.
Nach rund fünf Schichten Lehmziegeln wurde bei Eanna Zikkurat jeweils eine Bewehrungsebene aus einer Schilfmatte gefunden, welche immer noch in sehr gutem Zustand war und goldgelb glänzte. Die neu aufgemauerten Wände wurden stattdessen mit dünneren Strohmatten stabilisiert.
Ein grosses Augenmerk wurde auch auf das Setzungverhalten gelegt. Setzungen mussten dringend verhindert werden, da ansonsten die neuen Mauerstücke den Altbau mitreissen könnten.
Zukunft
Durch den fortschreitenden Klimawandel wird Uruk in Zukunft noch verstärkt intensiven Niederschlägen und somit einer Zunahme der Erosion ausgesetzt sein. Es ist davon auszugehen, dass ohne bauliche Massnahmen grossartige Verzierungen, Steinstiftmosaike und erstaunliche Lehmbauten zerstört werden. Es wird vermutet, dass bereits während der Blütezeit der Stadt Uruk nebst dem Ausgraben der Bewässerungskanäle auch die Fassaden und Abdichtungen unterhalten werden mussten. Gleicher Unterhalt gilt auch der Archäologischen Stätte in Zukunft.


Christof Ziegert ist immer wieder aufs Neue fasziniert von dieser alten und dennoch sehr beständigen Technik des Lehmbaus. In grosser Achtung hat er sich mit seinem Team durch die verschiedenen Schichten der Geschichte Uruks getastet, um diesen Ort auch für künftige Generationen zu erhalten. Er schätzt die Arbeit auf dieser archäologischen Stätte sehr und es erfüllt ihn immer wieder mit Freude, Teil dieses interkulturellen Projektes sein zu dürfen.
Zudem stimmt es ihn zuversichtlich, dass trotz der politisch angespannten Lage vor Ort Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt in Freude und gegenseitigem Respekt zusammen an der Erhaltung der ersten kulturellen Metropole der Menschheit arbeiten können.

Lasst es uns gleichtun – hier und heute in Europa!


This Alder, 17.06.2020

Veranstalter

IG Lehm Fachverband Schweiz
&
Christof Ziegert, ZRS Ingenieure Berlin

Ort

Zürich ZH