Faszination Stampflehm

10. Oktober 2020

Tour d'Autriche aktuell

Stampflehm-Projekte von Lehm Ton Erde Baukunst GmbH

 

Wir reisen nach Vorarlberg und organisieren einen Besuch bei Martin Rauch und Lehm Ton Erde Baukunst in Schlins. Dort besichtigen wir zuerst die fertiggestellte neue Werkhalle für Stampflehmprodukte, die als Hybridbau in Holz-Massivbauweise und Stampflehm erstellt wird. Danach können mit dem Haus Rauch eine Lehmbau-Ikone sowie die Werkstatt von Lehm Ton Erde Baukunst aus den frühen 1990er-Jahren anschaut werden. Zudem statten wir Gerold Ulrich, der mit seinen Lehmkaseinböden und Kalkarbeiten glänzt, einen Besuch in seiner Werkstatt ab.
 

Infos zur Werkhalle

 

Besichtigung und Führung

  • ERDEN Werkhalle
  • Besichtigung und Führung Haus Rauch
  • Werkstatt Lehm Ton Erde Baukunst
  • Werkstatt Gerold Ulrich
     

Einladung zur Exkursion Vorarlberg

Bericht zur Besichtigung

Lehm Ton Erde Baukunst GmbH in Schlins | Faszination Stampflehm | 30 Teilnehmer

Besichtigung und Führung mit Martin Rauch der ERDEN Werkhalle, der Werkstatt Lehm Ton Erde Baukunst und des Haus Rauch. Besichtigung und Führung der Werkstatt von und mit Gerold Ulrich.


Lehm Ton Erde Baukunst GmbH

Lehm ist zertrümmertes, erodiertes Gestein. Als Werkstoff hat er bereits eine lange Geschichte in der Baukunst und wurde meist in Krisenzeiten eingesetzt, wenn Rohstoffe aus anderen Quellen nicht zugänglich waren. Allgemein können 50-100 Prozent des Aushubs in Europa im Lehmbau Verwendung finden.

Die Worte Lehm Ton Erde hat Martin Rauch bereits für sein Abschlussprojekt im Studium zum Keramiker verwendet. Lehm steht für das Handwerk, die Technik. Ton für die Schönheit, die Gestaltung und Architektur. Erde für die Ökologie, die Gesundheit und auch das Politische.

Lehmbau braucht einen guten Stiefel und einen guten Hut, so wird verhindert, dass Feuchtigkeit das Gebäude von unten oder von oben beschädigen kann. Ein Abstand zum Boden von 20-30 cm sollte mindestens gegeben sein.
Stampflehmwände können gut Druckkräfte aufnehmen, allerdings keine Zugkräfte. Im oberen Bereich werden Ringanker benötigt, um die Stabilität der Wand zu gewährleisten.

Die Ausbildung im Lehmbau ist ein wichtiger Faktor, um die Kenntnisse weiterzugeben und neue Werkzeuge zu entwickeln. Auch muss die Zertifizierung des Lehmbaus vorangetrieben werden, damit er in grösserem Stil zur Anwendung kommen kann. Hier engagiert sich Martin Rauch auch in der Lehre und bietet Workshops an.

Das Unternehmen konnte bereits grosse Gebäude wie das Kräuterzentrum der Firma Ricola und das Besucherzentrum der Vogelwarte Sempach in der Schweiz oder auch das Firmengebäude von Alnatura in Deutschland realisieren. Für letzteres wurde sogar eine Technik entwickelt, um die Stampflehmelemente der Fassade bereits mit einer Zwischendämmung aus Schaumglasgranulat herzustellen, damit der Lehm von aussen wie von innen erfahrbar ist.

Das Spannende am Lehmbau ist, dass er am Ende seines Lebenszyklus wieder zu Erde wird und unendlich in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden kann, wenn der Werkstoff nicht verunreinigt wird.


ERDEN Werkhalle

Die neue Werkhalle von Lehm Ton Erde Baukunst befindet sich noch in der Fertigstellung, die Produktion hat allerdings schon begonnen.
Die Entscheidung von Martin Rauch, nochmal ein so grosses eigenes Bauabenteuer zu wagen, bietet die Möglichkeit, einen geeigneten Raum für die Maschinen, die Stampflehmfertigteile im großen Stil produzieren können, zu schaffen und leistet somit einen Beitrag, den Lehmbau auch für grössere Projekte in den Fokus zu rücken.

Die grosse Halle mit einer Länge von 67 m und einer Breite von etwa 24 m wurde von Martin Rauch geplant und ist ein Hybridbau in Holz-Massivbauweise und Stampflehm. Angrenzend befindet sich ein zweigeschossiges Bürogebäude aus Stampflehm im Bau, welches auch Umkleideräume für die Mitarbeiter im Untergeschoss beherbergt.

Anfänglich war der Wunsch, das gesamte Gebäude aus Lehm zu bauen, allerdings wurde aus Kosten und Zeitgründen dann auch auf die lokale Holzbauweise zurückgegriffen. Nichtsdestotrotz stellt der Bau durch seine Dimensionierung und die mechanische Beanspruchung des Erdmaterials eine Innovation im Stampflehmbau dar.
Der Bau steht auf Streifenfundamenten aus Beton. Zur Materialeinsparung wurden die Aussteifungen des Holztragwerks als Gitter ausgeführt und mit einem Gemisch aus Hackschnitzeln, Korkschrot und Lehmschlamm ausgefüllt. Die aus Holz vorgefertigten Öffnungsrahmen mit mittiger Verstärkung wurden direkt in die Lehmwand eingestampft.

Der Wärmebedarf wird bis zu 70 Prozent aus Sonnenenergie gedeckt. Im Boden der Halle befindet sich eine Bauteilaktivierung, die vom Warmwasser gespeist wird.
Die 60 cm dicke Fassade aus Stampflehm ist in Abschnitten jeweils um 30 cm versetzt und kommt so auf eine Gesamtbreite von 90 cm. In den so entstanden vertikalen Rücksprüngen in der Aussenfassade konnten Sonnenkollektoren angebracht werden, die die Luft im Zwischenraum erwärmen und die trockene, warme Luft durch den Kamineffekt in die Halle leiten. Mit Hilfe einer kleinen, selbstentwickelten Pumpe, wird der Halle Wärme entzogen und zum Heizen der Büros verwendet.

Die Möglichkeit einer maschinellen Herstellung von Stampflehmelementen im grösseren Stil schont nicht nur die Umwelt, sondern reduziert auch den menschlichen Verschleiss. Die neue Werkhalle kann so Pionierarbeit im Lehmbau leisten und das erlangte Wissen anderen zur Verfügung stellen.
Die Lehmwände werden auf der gesamten Länge der Halle vorfabriziert, dann in transportfähige Teilstücke gesägt und vor Ort wieder in der gleichen Reihenfolge zusammengesetzt. Dadurch kann im fertigen Bau ein einheitliches Fassadenbild gewährleistet werden. Auch können in der neuen Werkhalle Test durchgeführt und die Materialprüfung des Stampflehms vorangetrieben werden.
Bei bereits erfolgten Tests im Labor konnte festgestellt werden, dass sich Stampflehm im Brandfall sogar besser verhält als Stahlbeton, da er aus einem einheitlichen Material besteht und es nicht zu Druckunterschieden im Bauteil kommt.

Die neue Halle ist ein beeindruckender Industriebau aus nachhaltigen Materialien, der dem Lehmbau eine neue Dimension verleiht und Zeit und Schweiss während der Bauphase einsparen kann.


Werkstatt Lehm Ton Erde Baukunst

Die vor 30 Jahren gebaute Werkstatt von Martin Rauch ist ein Demonstrations- und Versuchsbau für die verschiedenen Lehmbautechniken und andere nachhaltige Konstruktionsansätze.

Das Fundament und der Keller sind aus Stahlbeton, das Holzdach wird von einer Metallkonstruktion getragen. Die Fassade besteht aus 55 cm starken Stampflehmwänden, die mit Hilfe einer Schalung vor Ort aus dem Aushub des Kellers realisiert wurden.

Die dem Lehm zugegeben Zuschlagsstoffe aus Ziegelsplitt haben eine Sieblinie von 0-32 mm. Die horizontalen Ziegelbänder in der Aussenfassade dienen als Erosionsbremse, um das herunterlaufende Regenwasser über die Höhe der Fassade zu verlangsamen. Das feine Material der Aussenwände wird durch Regen ausgewaschen, die grossen Zuschlagsstoffe, welche nicht mehr ausgewaschen werden, treten so an die Oberfläche und die Erosion hört nach ca. zwei bis drei Jahren auf.


Haus Rauch

Das dreigeschossige Wohnhaus liegt im Hang auf einer schmalen Parzelle.
Der kubistische Baukörper entwickelt sich buchstäblich aus dem Erdreich des Hanges heraus. Die grossen Fensteröffnungen sind Richtung Tal orientiert.

Das Gebäude wurde von Roger Boltshauser in enger Zusammenarbeit mit Martin Rauch entworfen und ist auch als Experiment gedacht, das dem Lehmbau als Referenzprojekt dienen soll. Der Anspruch der Erbauer war, das Gebäude komplett aus natürlichen Materialien zu erstellen.

Das untere Geschoss ist fast vollständig in den Hang eingegraben und beinhaltet den Keller, die Garage und ein Gästezimmer mit Bad. Das mittlere Geschoss umfasst den Wohnbereich, die Küche und einen Arbeitsraum, während im oberen Geschoss die privaten Schlafräume untergebracht sind.
Durch die grosszügigen Fensteröffnungen wird das Tageslicht in das Gebäude geleitet und erzeugt mit den erdfarbenen Oberflächen ein warmes Licht.

Die 45 cm dicken Stampflehmwände wurden vor Ort erstellt und sind mit einer Innendämmung aus Schilf versehen, auf die wiederum ein Lehmputz von 3 cm inkl. Wandheizung aufgebracht ist.
Die tragende Stampflehmwand auf einem Stahlbetonfundament wurde in den oberen Bereichen mit einem armierten Ringanker aus Trasskalk verstärkt, auf dem die Holzdeckenbalken aufliegen, welche direkt mit dem Lehm in Kontakt sind.
Lehm enthält kein organisches Material, so kann es auch nicht zu einer Schimmelbildung kommen, wenn Lehm und Holz aufeinanderstossen. Allerdings muss gewährleistet werden, dass das Holz nicht in Verbindung mit Feuchtigkeit kommt. Zu diesem Zwecke werden am Haus Rauch momentan Proben in der Fassade entnommen, um den Zustand der Stirnseite der Deckenbalken zu begutachten.

Auf die Deckenbalken wurde eine Mischung aus Kork, Trass und Lehm aufgebracht. Der Bodenaufbau wurde mit Stampflehm abgeschlossen und optimiert so den Schallschutz. Die Keramikböden wurden ebenfalls aus dem Aushubmaterial der Baustelle in der eigenen Werkstatt hergestellt.

Für die Heizung und das Warmwasser kommen ausschliesslich erneuerbare Energieträger zum Einsatz wie z.B. die Kollektorflächen auf dem Dach oder auch der Speicherofen mit Kochstelle in der Küche. Die so gewonnene Energie wird an einen Pufferspeicher mit integriertem Boiler im Obergeschoss abgegeben, der auch die Wandheizung mit Warmwasser versorgt.

Im Hinblick auf den thermischen Komfort erweist sich die Lehmbaukonstruktion als vorteilhaft gegenüber herkömmlichen Materialien, da sie eine gute Speichermasse bildet. Auch kann die Raumluftfeuchte im Jahresverlauf stabil gehalten werden.
Ebenfalls konnten Schadstoffe durch die bewusste Auswahl der Materialien vermieden werden.
Im Allgemeinen erzeugen die natürlichen Oberflächen eine besonders behagliche Atmosphäre im Innen- wie auch im Aussenraum.

Durch den Einsatz von menschlicher Muskelkraft und Arbeitszeit, sind Lehmbauten bisher recht teuer in der Umsetzung. Jedoch konnten beim Haus Rauch so 85 Prozent des benötigten Baumaterials aus der Baugrube gewonnen werden.


Werkstatt Gerold Ulrich

Gerold Ulrich führt durch sein Atelier mit Werkstatt in Satteins und stellt die verschiedenen Anwendungen von Kalk und Kasein vor. Kalksteine bezieht er aus der Region, den Kalk brennt er im eigenen, selbstgebauten Kalkofen.

So wurde zum Beispiel die Fassade und die Innenwände des Gebäudes 2226 von Baumschlager Eberle Architeken in Lustenau von Gerold Ulrich mit einem 2 cm dicken reinen Kalkputz versehen.
Der Kalk an der Fassade und im Innenraum versteinert mit der Zeit und nimmt so CO2 aus der Luft wieder auf. Allerdings kann er laut Gerold Ulrich einmal versteinert nicht erneut zu Kalk gebrannt werden, dafür ist dieses langlebige Material für eine lange Nutzungsdauer ausgelegt.

Lehmkaseinboden besteht aus einer ausgesuchten Lehmrezeptmischung, die mit Kasein (Milcheiweiss) vergütet wird und auf entsprechend vorbehandelte Untergründe dünn aufgezogen und mit Öl und Carnaubawachs oberflächenbehandelt wird.
Die Farbpalette ist unbegrenzt und reicht von allen Erdfarben bis hin zu mit Farbpigmenten eingefärbten Böden. Beim Lehmkaseinboden ist die Handarbeit für Erscheinungsbild und Bodenqualität entscheidend.

Kurzer Bericht zur Arbeit von Gerold Ulrich
info@calctura.com

Sarah Schalles | 22.12.2020

 

Veranstalter

IG Lehm Fachverband Schweiz
&
Lehm Ton Erde Baukunst GmbH

Ort

Schlins A