Workshop Lehmgestaltung in Glarisegg

06. – 09. September 2015

Räume gestalten mit Lehmputzen

Praxisworkshop 2015-2 auf Schloss Glarisegg

Lehmgestaltung von vier Wänden von vier Teams von Konzept bis zur Ausführung.

  • Gestaltungskonzepte
  • Deckputze
  • Lehmplastik

20 Kursteilnehmer gestalteten und verputzten 4 Gästezimmer innert 2 Tagen, mit dem Ziel, die Räume in ihrer Aussstrahlung aufzuwerten und im Kontext zum Gebäude und der Bewohnerschaft eine gestalterische Lösung zu suchen. Es galt, die grosse Wand pro Zimmer mittels plastischen Strukturen, Prägungen, Sgraffito oder Texturen zu gestalten und sich mit der Farbe in Bezug auf den Bodenbelag auseinanderzusetzen.

Durch den Kurs begleitet hat uns Beatrice Asper, Farbgestalterin und Ralph Künzler, Lehmbauer. Ihre Aufgabe war es, die gebildeten Teams pro Zimmer in der Entscheidungsfindung zu unterstützen und die Ideen eine Richtung zu begleiten. Die Resultate lassen sich sehen und die Bauherrschaft war begeistert davon.

Einen herzlichen Dank geht an die Lebensgemeinschaft Glarisegg, welche uns grosse Freiheiten gewährte und grosses Vertrauen in unser Schaffen schenkten. Auch alle Teilnehmer waren sehr motiviert und konzentriert, die Arbeiten dauerten bis in die späten Abendstunden. Vielen Dank für euren Einsatz.

19.09.2015, Doris Müller

Bericht zur Veranstaltung

 

EIN-DRÜCKE
Aus dem Lehmbauworkshop „Räume gestalten mit Lehmputze“
Schloss Glarisegg, 6-9 September 2015


Ich schreibe absichtlich das Datum so (bis und mit Mittwoch), weil es wirklich am Dienstag abend noch nicht fertig war. Fertig nicht in den Sinn abgeschlossen/geschlossen : bei den guten Filmen geht die Geschichte weiter, nachdem „The End“ auf dem Bilschirm kommt. Ich erlebe es aber immer als sehr frustrierend, wenn ich den Saal verlassen muss, bevor der Film zu Ende ist. Das ist der Grund, warum ich vom Anfang an damit rechnete, dass ich bis am Mittwoch bleiben würde.

Verbleibende Arbeiten gab es ja nicht viele : einige Wände oder Wandteile mit Lehmfarbe streichen, retouchieren des Umbra-Putzes in den Nischen (Übergänge). Der Film ging erst richtig mit Gschenkli uspacke“ weiter: alle Abdeckungen entfernen, reinigen : wenn da der Raum da steht, sauber, leer & nackt, kann ich wirklich sehen, wahrnehmen, was wir angestellt haben, entfaltet sich die Wirkung unseres Eingriffs, unserer Gestaltung, Die verschiedenen Farben spielen miteinander, das hereinströmende Licht spiegelt sich auf den Boden und reflektiert auf die Wände, so dass z.B. der hellgraue Lehm sich jetzt teilweise entflammt, rot oder violett. Der Lehm hat seit gestern weiter getrocknet, so dass der definitive Ton immer sichtbarer wird. Die Räume atmen, es ist wie wenn frische, klare Luft durchfliesst, oder vielleicht atmen die Räume aus, nachdem sie 2 Tage lang unser Tun „eingeatmet“ haben (die Vorarbeiten nicht vergessen..).

Dann kommt natürlich das Aufräumen und wegführen von Dutzenden von Kübel, Kellen und sonstige Werkzeuge, die ca 20 Musterplatten, auf denen der Auftrag z.T. schwerer war, als die Leichtlehmplatte selber.
12h00 ist schon lange vorbei, und eigentlich hatte ich vor, gegen Mittag die Heimfahrt anzutreten, da kündigt sich eine Baustelle-Begehung mit den „Bauherren“, dem Schloss Glarisegg, vetreten durch die Geschäftsleitung. Na ja, gut, der Film geht also noch etwas weiter, das werde ich mir nicht entgehen lassen, die Büsi daheim werden schon ein wenig länger auf ihr Futter warten können. . .

Bei der Begehung wurde eigentlich nicht viel geäussert, zumindest nicht viel, an das ich mich erinnere, abgesehen davon. Dass die bisherige Arbeit der internen Raumpflegerinnen auf dem Kopf gestellt wurde, und dass sie von nun an mit einer ganz neuen Aufgabe konfrontiert werden, da die Räume einen völlig anderen „Groove“ entwickeln.

Anschliessend hockten wir beim Kaffee im Schlossgarten, und wurden als erstes gefragt :
„Wie war es für euch ?“

„Entgegen dem verbreiteten Glauben ist Erfahrung vor allem eine Sache der Imagination „
Ruth Benedick (aus einem Buch, das ich just zu dem Zeitpunkt lese)

Wir erzählten von unserem Wunsch, etwas „modernes“ zu schaffen, im Vergleich mit dem „Archaischen“ Stil des vor 10 Jahren Bewerkstelligten. Jedoch nicht dem Trend der letzten 10-20 Jahren nach, wo der Lehmputzhandwerk sich am Gipserhandwerk näherte : glatte,gerade ebene Flächen, einheitlich weiss (hell), sondern mit dem Bestreben, einerseits das Ursprüngliche, und andererseits die Plastizität, die Formbarkeit des Materials Lehm durchaus treu zu bleiben und spürbar zu machen. Modern auch in dem Sinn, dass die Aufgabe sich nicht in eine Selbstdarstellung des Auszuführenden, nicht mal in die des Materials Lehm, erschöpft, sondern versucht, dazu eine ganze Reihe von Gegebenheiten und Anforderungen gerecht zu werden, zu erfüllen und zu bereichern : der gegebene Raum, mit seiner Geometrie, Volumen (z.B. Waschnischen), Farben (z.B. Boden), Lichtverhältnisse (Morgen-AbendSonne, Himmelsrichtung), Verhältnis zum Aussen (Fensterausblick). Der Raum auch als Teil eines Gebäudes mit bestimmter Architektur (Baujahr 60-ger). Der Raum auch in seiner Funktion, als Gästezimmer vom Schloss Glarisegg, wo Leute für Treffen, Seminare, Workshops kommen, bei denen z.T. intensive innere Prozesse erlebt werden.

Dann auch die Herausforderungen seitens der Ausführenden : einerseits War es ein Kurs, bei dem die Teilnehmer ausgesprochen in einem Lernprozess standen, andererseits war es Gruppenarbeit, mit 4 oder sogar 5 Gruppen : die 4 Zimmergruppen (4 Zimmer wurden gestaltet), + die ganze Kursgruppe zusammen, wenn ich die Kursleitung als „freie Elektrone“ betrachte, die zwar nicht nur Energie spendend von einer Gruppe zur anderen hüpfte uns sauste, sondern begleitend wichtige Impulse und Tipps gab, richtige Fragen stellte und auch unterstützend mit anpackte. . .
Das alles legten wir bei der Diskussion nach der Begehung dar, und das wurde, fast mit Erstaunen, vom Glarisegg-Team wahr-genommen und anerkannt, ja sogar es wurde als sehr passend zu der allgemeinen Glarisegg-Arbeit befunden, ein Ort der Bewusstseins-, Gemeinschaftsarbeit und der schöpferischen Tätigkeit.

(Allein) schon das ist mir eine grosse Freude, dass wir das erreichten, ohne es bewusst (od. zumindest ausgesprochen) angestrebt zu haben.
Für mich war es einerseits, von allen Lehmbauworkshops, die ich mitgemacht habe, sicher dasjenige, bei dem ich am wenigsten zufrieden bin, mit dem was ich auf die Wand gebracht habe. Aus gestalterischer Sicht fand ich es zunächst etwas mutlos, ja sogar langweilig. Das war auch der Spiegel, wie ich die Arbeit in meiner Gruppe erlebte : zwar eine relativ schelle Einigung (z.B. Farbe), dann aber irgendwie stockend, nicht wirklich viele Ideen, dann die meisten zurückgeworfen, so dass eine eher „negative“ Wahl entstand : das, was nicht abgewählt wurde, und nicht eine „zündende“ Idee, die alle begeistert hätte. Dann kam der Dienstagmorgen, wo alles umgesetzt wurde. Und dann war das sorgfältig berechnete, bestellte und extra abgeholte Material schon weg (die anderen Gruppen . . .), Werkzeug (Mischkübel, Mixer) nicht verfügbar, da rastete ich für einen Moment aus ! Ich hockte eine Viertelstunde auf der Wiese, rauchte eine Zigarette, atmete langsam ein und aus und sah die andere in ihrer Emsigkeit zu.

Umso erstaunlicher, wie alles schlussendlich aufging : ein bisschen Improvisation, und eine Gartenkarette diente würdevoll als Mischkübel; bis alles bereit war, wurde doch ein Mixer frei, und wir Handwerker konnten unsere 1 ½ Tage lang zurückgestaute Tatendrang endlich freien Lauf lassen.
Zwischendurch verfolgte ich das Vorankommen der anderen Gruppe, und mein Staunen wuchs langsam aber stetig, bis am Mittwoch, wo alles ausgepackt wurde und zur Geltung kam : ich (emp)finde, dass alle 4 Räume etwas verbindet, und zwar darüber hinaus, dass z.B. in alle 3 Zimmer im OG die Waschnischen und die Decken auf gleiche Weise gestaltet werden.
Alle lehmverputzte Wände bringen unverkennbar und offensichtlich das Material Lehm zum Vorschein und zur Geltung. Und doch passen sie irgendwie zu dem in Massivbauweise erstellten Gebäude, der neben viel Beton und Zementputz auch z.B. farbige PVC-Böden aufweist. Sie stellen sich nicht gegen, nicht im Widerspruch zu diesem Stil, sondern integrieren sich darin, bringen einen wirkungsvollen Beitrag, bereichern und werten auf. Sie bezeugen alle (mit Abstand betrachtet, auch in „meinem“ Zimmer) grossen Mut in der Gestaltung, etwas unkonventionelles zuz wagen, und strahlen daher eine unübersehbare Präsenz im Raum und prägen tief die Atmosphäre (oder den „Groove“). Und doch weisen sie alle eine wohltuende Zurückhaltung auf, oder besser gesagt sie öffnen den Raum, sie wirken einladend auf den Mensch, der hineinkommt, auf mich, meine Wahrnehmung zu dehnen, durch die Wand durch, nach oben oder unten, oder in mich hinein. Es ist gleichzeitig beruhigend und anregend, stellt eher Fragen als Antworten zu geben, ohne jedoch Antworten zu fordern. Es lebt, und lässt auch leben . . .

Ich stelle fest : je länger ich mich in diesen Räumen aufhalte, desto länger will ich darin bleiben, was ich bei den vor 10 Jahren gestalteten Zimmer nicht immer behaupten kann. Obwohl mir bei diesen das einte oder andere beim ersten Blick gefallen hat. . .

Es erfüllt mir mit inniger Freude, dabei gewesen zu sein, und dem Ganzen gedient zu haben, und so benenne ich es, was wir da angestellt haben : ein Kunstwerk.

Vielen vielen Dank an alle Beteiligte!
Arno

Veranstalter

IG Lehm Fachverband Schweiz
 
Kursleitung:
Beatrice Asper
Ralph Künzler
Doris Müller

Kursort:
Schloss Glarisegg
8266 Steckborn
 

Ort

Steckborn TG